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 Hadamar den 29ten Maij 66

 

Lieber Sander!

Deinen gelben Brief, der die Bludenzer | Skandalgeschichte enthielt, beantwortent, | sah ich mich vor allem nicht veranlaßt dir | über selbige Geschichte mein Erstaunen aus= | zudrücken. Im Gegentheil; Du kennst ja | meine alten Ansichten: Reichthum schützt | vor Gemeinheit nicht und derselbe dürfte | auch auf einen Baronentittel anzuwenden | sein. Kein Talent + kein Charakter! – |

Aber nun zu dem was gegenwärtig alle | deutschen Köpfe bewegt, der bevorstehende | Bruderkrieg denn der wird es allem An= | schein nach werden. Wir armen Nassauer | werden voraussichtlig zuerst von der preu= | sischen Macht verschlugen u. spüren die Seg= | nungen der preusischen Spitze schon jetzt, durch | bedeutende Verluste an hier an der Grenze | stark verbreiteten pr. Bankscheinen. Zugleich | gehen hier Bahnzüge mit Preußen durch von | oder nach Wetzlar oder Coblenz her. ||

Die Soldaten sind nicht ziemlich kleinlaut, | und von ihrer bekannten Skandalsucht ver= | spürt man nichts. Die Unzufriedenheit in der | angrenzenden Rheinprovinz kennt beinahe | keine Grenzen. Es ist ein Jammer, wenn | man dem Ausrücken der Burschen beiwohnt, | deren Weiber u. Kinder sie nicht verlassen | wollen, sich an sie hängen und jammern zum | Erbarmen. Da kann man manchen Fluch hören | der der Maiestät u. Gottes Gnaden gilt. Hin | und wieder fallen sogar bedenkliche ____ vor, wie in Bonn wo bäurische Ausgehobene ihre Hauptleute zwangen mit ihnen in ____ Schmollis zu trinken. Das das junkerlische Gesindel der Offiziere hibei ihre bekannten Brutalitäten auskostete, ist selbstverständlich, und einer davon der bei dieser Gelegenheit in salbungsvollem Ton zur Ruhe ermahnte und den Ausdruck: Liebe Kinder gebrauchte mußte vieles hören. Aha jetzt sind wir wieder Kinder wie vor ____ und bar jedem Krieg, ist es aber Frieden, dann sind wir wieder Schweinehunde etc. etc. Mit meinen Worten: der bevorstehende Krieg ist in Preußen durchaus unpopulär. Da sieht es in Oesterreich doch ganz anders aus und auch in den Mittelstaaten. Du solltest einmal die Gespräche hier mit anhören, vom ärmsten Bäuerlein bis ____ eine einzige Erbitterung gegen Preußen. ____ heißt sogar, es sei ein Glück wenn es einmal gegen Preußen ginge, denn das müsse total vernichtet werden, bevor es einmal Ruhe gebe in Deutschland. Nun wir wollen sehen. Ich meines Theils glaube nicht, daß es zum losschlagen kommt und wünsche es auch durchaus nicht und bekenne mich im Übrigen zu der Ansicht, daß Graf Bismark – letzterer der dümmste u. Erbärmlichste, ersterer der schlechteste, ____ Kerl der ganzen Nation ist. –

Betrachten wir uns aber und die ganze Bewegung, so wird uns daraus der Stand der Errungenschaften des Nationalvereins klar. Hie Deutschland mit Österreich, Begeisterung, Muth, Hie Preußen mit seiner Spitze und der deutschen ____ allein ohne Muth, ohne Kraft, ohne Geld. Der Nationalverein aber legt sich hie in eine Eck und verreckt. Kaiser Rothbart kann noch tausend Jahre schlafen.

Nun genug. – Der wonnevolle Monat Mai ist ohne alle Wonne vorübergegangen. In den letzten Tagen erstarren hier die ____ und vieles andere. Daß einem da die Liebe nicht aufgehen kann besonders wenn sie schon einigemal untergegangen ist klar. Ich male Portraits und trinke Wein u. Bier. Dazwischen schlafe ich bisweilen. Heute werde ich zur Kutsche nach Limburg abgeholt zu einem längerem Aufenthalt. Dort habe ich einen lebensgroßen Gambrinus gemalt bei dessen Enthüllung im Saale eines an der Lahn liegenden sehr schönen Gartens, meine Wenigkeit und noch viele andere in der Nacht um drei Uhr nicht mehr ____ waren. Das war die berüchtigste Nacht, die ich je gehabt habe – (u. ich glaube darin ziemliches geleistet zu haben) – denn wir hatten einen König gehängt.

Grüße mir alle, auch meinen alten Schatz und sage ihr ich sei schon wieder versorgt und sie möge mich doch nicht vergessen, wenn sie Hochzeit habe. Dr. Jung__Posch sei auch freundlich gegrüßt und noch freundlicher an sein Versprechen erinnert bezüglich der N___ A____; ____ ist ein Krämer.

Dein alter Kaspar K.

 

(Vorarlberger Landes-Bibliothek, Nachlass Hermann Sander, Sig: N4:B:158:1)
Anmerkungen
Abschrift einer Kopie eines Briefes Kaspar Köglers an den Voralberger Schriftsteller und Historiker Hermann Sander (1840-1919).
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