Da liegt es, umschlungen von waldigem Band,
Das schöne Stück Nassau, das rheinische Land.
Da gleiten die Schiffe auf silbernen Wellen,
Da läuten die Glocken, die dumpfen und hellen,
Ihr altes historisch fromm-frohes Geläut‘
So festlich noch heut‘
Wie einst in der grauen Vergangenheit.

Und siehe, da ragt es im Abendschein,
Hoch über dem Land in den Himmel hinein;
Da ruhet der Löwe, der alte, o Wunder!
Und schaut in die grünende Tiefe hinunter,
Wo aus einer Wüste von Trümmern und Sand
Ein Gartenland,
Eine neue, herrliche Welt erstand.

Und siehe, da steht er auf festem Granit
Der letzte der Fürsten aus Nassaus Geblüt,
Da steht er, wie einst er gestanden im Leben,
Von seinem biederen Volke umgeben,
Da schließt es um ihn sich im festlichen Chor,
Da drängt es sich vor
Und reichet ihm grüßende Blumen empor.

Und vor ihm, da wogt es hinunter, hinauf,
Des rastlosen Lebens alltäglicher Lauf;
Doch mitten im Wandern, im Hasten und Eilen,
Da bannet ein Blick sie zu sinnendem Weilen,
Da schau’n sie das Bild ob der lieblichen Flur
Im lichten Azur,
Und freu’n sich der Schönheit in Kunst und Natur.

Doch jenseits im Grünen, da wandelt es still,
Was sinnen und denken und träumen will.
Da schau’n sie hinunter ins Rebengefilde
Und schauen hinauf zu dem erzenen Bilde,
Und leis durch die alte Nassauer Brust
Zieht, schickalsbewußt,
Der Wander der Zeiten in Leid und in Lust.

Und wenn nun sich senken die Schleier der Nacht,
Dann regt sich die Landschaft und wandelt sich sacht,
Da geht durch die dunklen Kastanienbäume,
Ein Rauschen holdseliger Jugendträume,
Die Gegenwart schwindet, das Alte wird neu,
Und fröhlich und frei
Reitet der junge Herzog vorbei.

Um ihn ist es stille und friedlich und schlicht,
Die Kämpfe der Zukunft, er ahnt sie noch nicht;
Das Mondlicht ruht silbern auf sprossenden Saaten,
Die Sterne stehn leuchtend an Himmelsgestaden,
Und drüben im waldigen Taunushang,
Die Straße entlang,
Tönt fernhin verhallender Posthornklang.

Doch rastlos vollzieht sich talaus und talein
Der Wandel des Lebens am fließenden Rhein,
Es kommen und gehen die Wellen, die Jahre,
Es welken die Wangen, es bleichen die Haare,
Es dreht sich das Weltrad im kreisenden Schwung –
Nur eines bleibt jung:
Die göttliche Kraft der Erinnerung.

So mögst Du denn, Kunstwerk von Erz und Stein,
Ein bleibender Pol der Erinnerung sein,
Wo Kinder und Enkel beim alten Geschlechte
Stets neu sich erwärmen für’s Schlichte und Echte,
Und über des Alltags vergänglichen Tand,
Durch’s Nassauer Land
Schreiten, dem Ewigen zugewandt!

(Aus: Kaspar Kögler, „Gedichte“, Wiesbaden o.J., S. 6f. )